Grußwort bei der Eröffnung von FULLY BOOKED
im ehemaligen HOTEL BEETHOVEN am Samstag, 14. November 2009 um 18 Uhr

Dr. Ludwig Krapf, Kulturdezernat Bonn

Meine Damen und Herren!

Ich danke sehr herzlich für die Einladung, bei dieser Eröffnung ein Grußwort zu sprechen.

Ich habe mich für dieses Projekt vom ersten Augenblick an, als ich davon gehört habe, interessiert und mich für seine Unterstützung eingesetzt.

Wir alle denken und agieren in festen Strukturen: in Orten, die als Galerien oder Museen eine bekannte Ausstattung haben, auf die wir uns einstellen können; in Abläufen, die den Produzenten wie den Rezipienten im Wesentlichen vertraut sind, auf die sie sich verlassen; schließlich auch in unseren Zeitvorstellungen. Daran ist nichts auszusetzen, schließlich hat sich Kunst seit unvordenklichen Zeiten selber als etwas definiert, was den Anspruch hat, zu bleiben. In meinem Grußwort zum sehr schön gewordenen Katalog habe ich HORAZ zitiert, der von seinem Werk sagte, es sei fester und beständiger als Erz.

Meine spontane Hoffnung ging dahin, dass es gerade die diesem Projekt von Anfang eingeschriebene Begrenzung und die Flüchtigkeit sein könnten, die unerwartete Energien freisetzen; es hat mich gereizt herauszufinden, ob es der Kunst gelingt, etwas in Wert zu setzen, was ökonomisch bereits abgeschrieben ist; ob sie es schafft, mit ihren Mitteln und mit ihrer Kraft etwas zu erhalten, was dem Untergang geweiht ist.

Das war eine ganz allgemeine Hoffnung. Sie wurde noch verstärkt und gefestigt durch den Umstand, dass der Ort selber, den man sich gewählt hat, diesen Charakter des Begrenzten und Vorübergehenden hat. Denn sieht man von den legendären amerikanischen Hotels ab, in denen Menschen ihr ganzes Leben oder große Teile desselben verbringen, halten wir uns in Hotels immer nur eine bestimmte Zeit, eher Tage als Wochen, selten einmal Monate auf. Dazu kommt schließlich, dass dieses spezielle Hotel sehr stark von der Annahme lebte, dass unaufhörlich Menschen in die Bundeshauptstadt strömen, die für ein zwei Nächte untergebracht werden mussten. Inzwischen ist diese Bedingung entfallen; Bonn ist nicht länger Hauptstadt, der Strom der politischen Bonn-Touristen versiegte; damit verschlechterten sich die Überlebenschancen des Hotels. Etwas ist an sein Ende gekommen-, für Kunst und Künstler eine Herausforderung, sich mit diesen spezifischen Bedingungen zu beschäftigen.

Unabhängig von diesem konkreten Hintergrund, der geeignet ist, alle Kunstgattungen- von der Literatur zur Bildenden Kunst, von der Tanzperformance bis zur Musik- zu beflügeln, hat mich an FULLY BOOKED noch ein anderer Aspekt interessiert, und zwar das Paradox, dass Kunst selbst und möglicherweise gerade dort, wo sie in einer Stadt über ein großes Angebot eingeführter Räume verfügt, in Wirklichkeit ortlos ist. Wir haben in Bonn eine ungewöhnliche Fülle von der Kunst zugewiesener, ihr vorbehaltener Räume. Aber- das ist die Frage- ist die Kunst in der Stadt wirklich „verortet“; sind diese Kunsträume nicht in hohem Maße Reservate, Schutzräume. Dagegen liegt ein solcher Raum durch die auffällige Abweichung von der eingeführten Nutzung gleichsam „mitten in der Stadt“ und damit im Wahrnehmungshorizont eines sehr viel breiteren Publikums. Meine Erfahrungen mit solcher temporärer „Raumnahme“ sind sehr positiv. Ich weiß allerdings auch, dass es auf beiden Seiten Vertrauen und Verlässlichkeit geben muss- bei denen, die den Raum für Zwischennutzungen abgeben und bei denen, die diese Räume für eine begrenzte Zeit nutzen wollen. Deshalb will ich nicht vergessen, denen zu danken, die einer solchen Zwischennutzung zugestimmt haben. Unsere Stadt würde im besten Sinn des Wortes viel bunter und farbiger sein, wenn mehr Eigentümer diesen Mut zur Zwischennutzung hätten.

Ich habe von Hoffnung gesprochen; ich konnte mich noch nicht mit allen Details des Projektes auseinandersetzen; aber mein erster- und ich glaube ungeachtet seiner Flüchtigkeit tragender- Eindruck ist, dass diese Hoffnung nicht enttäuscht wurde.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Frau Rühmann und bei Herrn Beemsterboer. Ich kann mir vorstellen, wie viel Kraft, wie viel konzeptionelle und administrative Energie in das Projekt geflossen sind. Dafür möchte ich mich sehr herzlich bedanken.

Danken möchte ich natürlich allen beteiligten Künstlerinnen und Künstlern. Sie geben der Stadt einen wunderbaren Ort, der- dessen bin ich gewiss- noch lange auf der immateriellen Stadtkarte erkennbar ist, wenn in der Wirklichkeit an dieser Stelle ganz andere Gebäude stehen. Herzlichen Dank.

Ihnen allen viel Erfolg und alles Gute!



Grußwort Katalog

Gegenüber dem Selbstbekenntnis des römischen Dichters Horaz, sein Werk sei beständiger als Erz, wirkt HB HOTEL BEETHOVEN, das Kunstprojekt des Vereins ML Moving Locations e.V., schon seiner äußeren Organisation nach vorläufig, vorübergehend, auf eine begrenzte Dauer angelegt. Schauplatz ist das ehemalige Hotel ­Beethoven, das im Frühjahr des kommenden Jahres abgerissen wird. Fragile Dauer ist auch in einem übertragenen Sinne das Thema: Hotelaufenthalte sind ganz allgemein und in der Regel begrenzte Zeitabschnitte, nur selten richten sich Menschen dort bleibend ein; so kamen in die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn auf Einladung der Abgeordneten über viele Jahre Menschen aus dem ganzen Land, natürlich auch Gäste von anderswo, die sich für Deutschland, für Bonn, vielleicht sogar für Beethoven interessierten. Schließlich gilt, dass diese Zeit nicht nur begrenzt war, sondern inzwischen abgelaufen ist: Bonn ist nicht länger Hauptstadt; der Strom der Polit-Touristen ist versiegt. Entsprechend zu Ende geht auch die Zeit von Hotel ­Beethoven, einem zu Hauptstadtzeiten geschätzten und gern besuchten Haus, das übrigens – so potenziert sich Zeit und Zeitlichkeit – nach dem Krieg an historischer Stelle in unmittelbarer Nähe der zum Teil zerbombten Gertrudiskapelle errichtet wurde. Mit seiner Lokalisierung schlug das Hotel somit eine Brücke weit zurück in die Geschichte Bonns und auf eine Vergangenheit, die dem jungen Beethoven noch selbstverständliche Gegenwart war.

Die Initiatoren und Organisatoren Christine Rühmann und Sjaak Beemsterboer haben 50 KünstlerInnen aus acht Nationen zur Ausstellung «fully booked» eingeladen: der einst gebuchten Intimität des Hotels verschaffen sie eine Öffentlichkeit, die sehr viele Gesichter hat, wie es dann wieder – Salto rückwärts! – dem Betrieb einer Herberge entspricht.

Als die Bitte an mich herangetragen wurde, dieses ungewöhnliche Projekt zu unterstützen, habe ich mich persönlich und auch in der politischen Diskussion sofort dafür eingesetzt. Der geplante Eingriff in die Stadt­öffentlichkeit an einer so markanten und historisch prononcierten Stelle interessierte mich spontan; auch die Möglichkeit, einem solchen versinkenden Ort vielleicht allein durch die Kraft der Kunst eine imaginierte/imaginäre Dauer zu geben; schließlich der Umstand, dass das ehemalige Hotel, in seiner originalen Funktion ja meistens ein zufälliger und eher unabsichtlicher Fokuspunkt menschlicher Präsenz, zum bewusst gewählten Kristallisationspunkt sehr unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten werden könnte. Ja, das hatte etwas!

Ich wünsche dem Projekt, den beiden Initiatoren und Organisatoren und natürlich vor allem den beteiligten KünstlerInnen viel Erfolg und alles Gute.